An der Klimaerwärmung ist nicht zu zweifeln. Ihre Auswirkungen sind deutlich spürbar. Längere und intensivere Hitzewellen im Sommer werden zur Norm. Laut Europäischem Klimabericht erlebte Europa 2022 den heißesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen und das insgesamt zweitwärmste Jahr. Aus dem Bericht geht weiterhin hervor, dass sich Europa in den zurückliegenden Jahrzehnten stärker erwärmt hat als alle anderen Kontinente. Die Temperaturen stiegen doppelt so schnell wie im weltweiten Durchschnitt.
Angesichts dieser Entwicklung überrascht es nicht, dass es schwierig wird, in Gebäuden angenehme Temperaturen zu halten, die für Bewohner und darin aufbewahrte Gegenstände geeignet sind. Immer mehr Menschen greifen auf Klimaanlagen zurück, die wiederum mehr Wärme erzeugen und mehr CO2 in die Atmosphäre abgeben. Laut einer Schätzung der französischen Agentur für Umwelt- und Energie (ADEME) waren 2021 in 25 % aller französischen Haushalte und in 40 % aller Gewerbebetriebe klimatechnische Anlagen mit unterschiedlichsten Wirkungsgraden installiert.
Vor diesem Hintergrund findet das Konzept des „kühlen Daches“ als Beitrag zur Eindämmung der Gebäudeaufheizung weltweit verstärkt Beachtung. Das wärmereflektierende Dach wird wegen seiner Energie- und Nachhaltigkeitsbilanz vielfach bereits als global wirksames Gegenmittel gesehen.
Entspricht dies aber den Tatsachen?
Ein „kühles Dach“ wird heute in der Regel als hellfarbiges Dach definiert, das das Sonnenlicht reflektiert und auf diese Weise die Wärmemenge reduziert, die in die darunter liegende Struktur eindringt. Weil sich dadurch das Gebäude im Sommer weniger aufheizt, werden Kosten für die Klimatisierung eingespart.
Die Entscheidung für ein wärmereflektierendes Dach sollte daher – besonders in wärmeren Regionen – selbstverständlich sein. Ein Großteil der Informationen stiftet jedoch Unklarheit über die konkreten Vorteile. Ist es die beste Lösung für die Bewohner des Gebäudes? Lassen sich damit spürbar Energiekosten einsparen? Trägt es wirksam zur Linderung des städtischen Wärmeinseleffekts bei? Ist die Lösung langfristig nachhaltig? Häufig werden diese Fragen durcheinandergebracht.
Das Konzept des kühlen Daches wird fast immer auf die (helle) Farbe der Dachbahn reduziert und damit auf die Frage, ob die Dachbahn selbst hellfarbig ist oder ob sie mit einer lichtreflektierenden Beschichtung versehen ist. Dabei wird übersehen, dass ein Dach aus mehreren Konstruktionselementen besteht und aus verschiedenen zweckspezifischen Schichten aufgebaut ist. Damit ein Dach die gewünschte Wirkung zeigt und optimale Dämmleistung erbringt, muss jede Komponente einen bestimmten Zweck erfüllen und mit den anderen Komponenten zusammenwirken. Es reicht also nicht, sich nur mit der obersten Schicht zu befassen und den Rest außer Acht zu lassen.
Ganz unabhängig von der Farbe der Dachbahn ist eine gute Dämmschicht auf jedem Dach ausschlaggebend in Hinblick auf die Energieeffizienz.
Ein Thema, auf das in Zusammenhang mit dem Kühlen Dach nur selten eingegangen wird, sind die langfristigen Leistungswerte. Als Erstes ist zu bedenken, dass die Reflexionsfähigkeit der Dachbahn (oder der Beschichtung) nicht ewig gleich bleibt. Alle hellfarbigen Dachbahnen werden im Freien schmutzig und büßen mit der Zeit zwangsläufig Reflexionsvermögen ein. Allein in den ersten drei Jahren sind Einbußen von 35 bis 50 Prozent möglich.
Die Bahnen werden schon beim Verlegen verunreinigt, wenn die Dachdecker darauf hin- und herlaufen. Dächer mit Photovoltaikanlagen werden noch öfter begangen. Hier verschmutzt die Dachbahn entsprechend schneller.
Nach der Fertigstellung verursachen natürliche Abläufe (in Wasser aufgelöster oder angewehter Staub, Schadstoffe, Vogelkot usw.) Verschmutzung. Durch Regen wird die Dachbahn auch nicht gereinigt, in einigen Fällen kann er die Verschmutzung sogar verstärken.
Erfahrungsgemäß wird sehr wenig unternommen, um das Dach zu säubern. Dies ist größtenteils auf die damit verbundenen Kosten zurückzuführen: Der Aufwand, der nötig wäre, um das ursprüngliche Reflexionsvermögen des Daches beizubehalten, wäre ungleich höher als die Energieeinsparungen aus der Farbwahl.
Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es nicht sehr viele Langzeitdaten für energetische Berechnungen. Solange keine Forschungsdaten vorliegen, gilt die Faustregel, dass das Reflexionsverhalten einer gealterten, verschmutzten, ehemals hellen Dachbahn sich nicht sonderlich von dem einer gealterten, verschmutzten dunklen Dachbahn unterscheidet.
An einem heißen Sommertag liegt die oberflächennahe Temperatur auf einem hellfarbigen Dach bei etwa 40 bis 45 °C. Auf dunklem Untergrund werden 70 bis 75 °C erreicht. Selbstverständlich bedeutet das nicht, dass unter einer hellfarbigen Dachbahn das Raumklima um 30 °C angenehmer ist! Alles hängt vom Dachaufbau ab. Wenn auf einer ungedämmten Tragdecke mit Stahlprofilblechen die Außentemperatur auf ca. 45 °C steigt, bleibt die Temperatur im und um das Gebäude 15 °C oder mehr darunter. Ist das Dach minimal gedämmt, ist das Temperaturgefälle zum Gebäudeinneren wesentlich größer. Ist eine effizientere Dämmung eingezogen, bewirkt eine hellfarbige Dachbahn praktisch keine zusätzliche Verbesserung des Raumklimas.
Helle Untergründe senken die Umgebungstemperaturen und beeinflussen somit den städtischen Wärmeinseleffekt. Der Effekt auf die Temperaturen im Gebäude ist weniger ausgeprägt.
Wie nachhaltig eine Dachbahn ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Einer davon ist der Energiebedarf bei der Herstellung (CO2-Bilanz). Für einlagige Dachabdichtungsprodukte wie UltraPly FPO von Elevate wird wegen des niedrigen Gewichts bei der Herstellung weniger Energie verbraucht. Sie werden ohne Chlor- oder Halogenzusätze hergestellt und sind vor allem sehr langlebig.
Die Lebensdauer steht in Zusammenhang mit der erbrachten Leistung. Die Lebensdauer einer EPDM-Dachbahn ist wesentlich länger als die einer hellfarbigen Dachbahn gleicher Dicke. Das bedeutet, dass sie weniger häufig ausgetauscht werden muss. Bei Arbeiten für ein neues Dach werden zusätzlich CO2 freigesetzt, Abfall erzeugt und Kosten verursacht. Diese Faktoren müssen bei der Frage nach der nachhaltigsten Dachmembran berücksichtigt werden. Ist es die mit dem höchsten Reflexionsvermögen oder die mit der längsten Lebensdauer?
Weiter in Zusammenhang mit dem städtischen Wärmeinseleffekt zeigen aktuelle Studien der Universität Stanford1, dass wärmereflektierende Dächer das Wärmeproblem gar nicht aus der Welt schaffen, sondern lediglich auf umliegende Flächen verlagern. In einer urbanen Landschaft haben nicht die Dächer den größten Flächenanteil, sondern die Straßen und Fassaden. HellfarbigeDächer lassen die Wärmeenergie auf große Flächen in der näheren Umgebung abprallen, beispielsweise Glas- oder Betonfassaden. Die nehmen mehr Energie auf, können sie aber nachts nicht wieder freisetzen. Dadurch wird die Situation weiter verschärft.
Weiters ist zu beachten, dass hoch aufragende Gebäude die Energie in einer Weise reflektieren, die Regenzyklen stören können. Weiße Untergründe behindern das Aufsteigen von Feuchtigkeit in die Atmosphäre. Weil dadurch weniger Wolken entstehen, regnet es weniger und werden dürreähnliche Bedingungen geschaffen – genau das Gegenteil des gewünschten Effekts. Eine im Journal der Nationalen Akademie der Wissenschaften veröffentlichte Studie der Universität Arizona bestätigt, dass Lösungsansätze regional unterschiedlich wirksam sein können. Während reflektierende Dächer in Kalifornien vielleicht die gewünschte Wirkung erzielen, können Sie in Florida eine Reduzierung der täglichen Niederschlagsmenge um 2 bis 4 ml bewirken.
Kurz gesagt, um wirklich nachhaltig zu sein, muss eine Dachbahn einen langen Lebensdauer haben, sehr leistungsfähig sein und sich für Lösungen wie Gründächer eignen. Gründächer halten das Dach im Sommer nicht nur kühler als eine weiße Oberfläche und fungieren im Winter als zusätzlich Dämmschicht, sie bieten sondern auch Sauerstoffzufuhr, Evapotranspiration und weitere Vorteile, die wirklich nützlich sind, um den städtischen Wärmeinseleffekt nachhaltig zu mindern.
Bei Berechnungen zur Wirksamkeit eines Kühlen Daches müssen Daten zu Klima, Standort, Gebäudetyp und Dämmung vorliegen. Selbstverständlich spielen auch die Kosten eine wichtige Rolle. Ein kühles Dach ist bei Renovierungen in der Regel wirtschaftlich sinnvoll. Es müssen aber die langfristigen Kosten wie auch die Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigt werden.
„Ein kühles Dach kann bei der Renovierung eines schlecht gedämmten Gebäudes in einer warmen Region wie Südfrankreich auf jeden Fall attraktiv sein“, verrät Jean-Luc Roudaut, der bei Holcim Solutions & Products EMEA für Verordnungen zuständige Regionalleiter Frankreich. „In Nordfrankreich dagegen ist es kühler. Da kommen Fragen auf: Wie viel Energie ist für die Klimatisierung im Sommer nötig und wie viel für die Heizung im Winter? Im Winter erwärmt sich eine reflektierende Dachbahn bzw. Farbe weniger. Und das kann zusätzliche Heizkosten verursachen. Deswegen muss man das gesamte Jahr in Betracht ziehen, nicht nur den Sommer“, fügt Roudaut hinzu.
Es ist nicht ratsam, sich blindlings für ein herkömmliches kühles Dach zu entscheiden. Wird mehr Aufenthaltskomfort während heißer Tage oder ein niedrigerer Kühlbedarf (und damit niedrigere Energiekosten) angestrebt, sollten folgende Punkte in Betracht gezogen werden:
Es gibt verschiedene Dachabdichtungslösungen von Elevate, die den Aufenthaltskomfort in Gebäuden verbessern. Ein kühles Dach ist nur eine davon. Unsere Ansprechpartner vor Ort beraten Sie gerne, welche Option am besten zu Ihrem Bauvorhaben passt.
* „Effects of Urban Surfaces and White Roofs on Global and Regional Climate“, Mark Z. Jacobson und John E. Ten Hoeve, Institut für Bau- und Umweltingenieurwesen, Universität Stanford, Stanford, Kalifornien